Ich habe mir vor Beginn dieses Blogs eine Menge Gedanken gemacht. Zum Aufbau, zu den Inhalten, zu den Farben und und und. Was ich vergessen habe, ist zu überlegen wie ich mit Namen umgehen möchte. Also mit den Namen von Menschen, die auf meinem Weg auftauchen. Es gibt hierfür ja verschiedene Möglichkeiten. Manch ein Blogger nutzt dafür schlichtweg die Anfangsbuchstaben. Andere geben den Leuten lustige Spitznamen. Ich könnte auch alle Auftauchenden einfach die Namen der Harry Potter-Charaktere geben, in der Reihenfolge, wie sie auftauchen. Aber im schlimmsten Fall könnte es dann passieren, dass mein Herr Hagrid wird (nichts gegen den bärtigen Halbriesen, aber er hat mit meinem Herrn so viel zu tun, wie Lakritze mit dem Wort “lecker”; obwohl der Vergleich natürlich hinkt. Lakritze hasse ich, Hagrid mag ich). Die echten Namen scheiden komplett aus und einfach nur neue erfinden oder die Leute nummerieren würde mich am Ende selbst verwirren. Also nehme ich jetzt aus meiner Not heraus die Spitznamen.
Als ich damals mein virtuelles Leben begann war ich noch in einer festen Beziehung, deren Ende zu diesem Zeitpunkt eigentlich bereits seit einer Weile absehbar war. Mir fällt es schwer über meinen damaligen Freund zu schreiben und noch schwerer einen geeigneten Spitznamen für ihn zu finden, denn wie das manchmal so ist: im Nachhinein sieht man nur noch die negativen Dinge. Oder in meinem Fall: man sieht klar. Nennen wir ihn also einfach den Fleck, weil er stets äußerst phlegmatisch war. Und weil er einen Schandfleck in meinem Leben darstellt. Er war der blinde Fleck in meiner Sicht, wenn ich versuchte herauszufinden, was mich krank machte. Und ähnlich wie ein Rotweinfleck im Teppich wird er zwar verblassen, wenn ich nur doll genug schrubbe, aber er wird nie ganz weg sein. Dieser Beitrag heute ist das erste kleine Stück Selbsttherapie-Anteil dieses Blogs.
Ich bin mit dem Fleck im Oktober 2010 ein Paar geworden, als ich gerade noch so zarte 15 war. Er war gerade noch 19. Wir führten miteinander jeweils die erste Beziehung, es war also alles ganz neu und aufregend. Ich werde nicht alles verteufeln was war, denn das wäre gelogen. Tatsächlich habe ich vom Fleck einiges gelernt – wie man eine gute Bolognese macht zum Beispiel. Ich habe aber auch gelernt was Eifersucht ist und wie man sie los wird. Die ersten viereinhalb Jahre führten wir eine Fernbeziehung oder da ich ja noch zur Schule ging wohl eher eine Ferienbeziehung. Meistens verbrachte ich diese bei ihm, da er kurz nachdem wir uns kennenlernten bei seiner Mutter auszog und wir dadurch bei ihm ungestörter waren. Ich glaube dass meine Eltern davon nie wirklich begeistert waren, aber sie taten das einzig richtige um mich Teenager nicht zu verjagen: sie schwiegen und hofften. Am Anfang lebten der Fleck und ich in der absoluten Pärchenblase, in welche wir nicht einmal Freunde hineinließen. Meine noch weniger als seine. Erst nach etwa zwei Jahren begann sich das zu ändern. Ich lernte vor allem seine Freunde kennen und wir gewannen gemeinsam neue. Diese ersten Jahre, die mit Abstand und deswegen mit Sehnsucht, waren die schönen Jahre. Wir hatten miteinander das erste Mal und was soll ich sagen? Es war ziemlich ernüchternd für mich. Ich hatte Schmerzen und kam demnach auch nicht auf meine Kosten. Insgesamt ging es recht schnell. Wir hatten zwar am Anfang sehr oft Sex und der Fleck rühmte sich damit auch nicht zu selten – 5-6 Mal am Tag! – aber um ehrlich zu sein summa summarum war das einmal am Tag, denn jedes verdammte Mal ging schnell. Das Sex für gewöhnlich länger als 5-10 Minuten andauert, das lernte ich erst bei meinem Herrn, dem Wortekönig. Leider ist das weder ein Witz, noch eine Hyperbel. Hinzu kam, dass es meistens vorbei war, sobald er kam. Dass ich einen Orgasmus habe, das wurde erst wichtig, als er begriff, dass ich dadurch enger werde. Dass ich ihn dann aber auch bekam, dafür musste ich wiederum selber sorgen. Natürlich ist das jetzt alles sehr stark verallgemeinert und natürlich ging es auch mal nach mir und natürlich ging es auch mal länger als 10 Minuten. Immerhin reden wir hier von der Zeit, in der sich mein Interesse an BDSM von Entführungsspielchen mit meine Barbies in eine sexuelle Vorliebe verwandelte. Wir begannen mit Fesselspielchen, bei denen er zunächst auch voll dabei war, denn das Knotenbinden interessierte ihn sehr. Doch diese Euphorie hielt nicht lange, denn als Top braucht man Fantasie und vor allem eigenes Interesse an der Sache und beides fehlte ihm. Die Male bei denen Seile eine Rolle spielten wurden weniger, mein Verlangen hingegen größer. Ich wurde kaum noch geil von “normalem” Sex, der nicht wenigstens ein bisschen Haareziehen, Würgen oder Schlagen beinhaltete. Gleichzeitig kristallisierte sich immer stärker heraus, was für eine Art Sub ich sein wollte. Keine Wunschzettel-Sub und auch keine, die sich nur ab und an und im Bett unterwerfen wollte. Ich wünschte mir immer stärker einen Herrn, der mich führt und zu dem ich aufsehen konnte. Da ich nun aber einen Freund hatte, den ich liebte, versucht ich dieses Ideal auf ihn zu projizieren. Ich wollte einen Herrn glücklich machen, also versuchte ich meinen Freund glücklich zu machen, in der Hoffnung, dass vielleicht ein Dom in ihm erwacht. Ich redete mir ein, dass die Art wie wir Sex hatten gut war, denn wenn er kam, dann war er glücklich, also müsste ich ja auch glücklich sein. Doch die einzigen Male, wobei er “Macht” ausübte, waren die Momente, wenn er wollte dass ich seinen Schwanz blase. Dieses wabbelige, oft ungewaschene Stück Fleisch. Ich habe mich so sehr geekelt; vor ihm und vor mir selbst. Bis heute kommt es vor, dass mir dabei schlecht wird, einfach nur der Erinnerung wegen. Für dieses “Andenken” hasse ich ihn, denn auf einer anderen Ebene mag ich es, wenn mir ein Schwanz in den Mund gerammt wird, sodass ich würgen muss.
Im Frühjahr 2014 zögen wir dann zusammen; er zu mir. Kurz davor hatten wir uns verlobt und ich hatte die Hoffnung, dass die Nähe meinen Verdruss besänftigen könnte, aber ehrlich gesagt war das Gegenteil der Fall. Nicht nur, dass ich nicht glücklicher wurde, nein, es war so als hätte ich plötzlich ein überdimensioniertes Kind in meiner Wohnung. Er half nicht im Haushalt, er wollte das Haus nicht verlassen, selbst Einkaufen war ihm zu anstrengend. Er verlor seine Ausbildungsstelle und verkroch sich immer tiefer in seinen Games. Ich tat alles für ihn, ging zur Uni, ging einkaufen, kochte, machte den Haushalt, ja ich schrieb sogar seine Bewerbungen; alles, damit er wieder auf die Beine kommen konnte. Irgendwann nahm er einen beschissenen Job an, über welchen er sich pausenlos beschwerte, als sei es meine Schuld. Ich versuchte mit ihm zu reden, wir versuchten Kompromisse zu finden und drehten uns doch im Kreis. Wenn wir stritten – und das taten wir in dieser Zeit oft – dann endete es immer damit, dass ich mich entschuldigt, ob es nun meine Schuld war oder nicht, nur damit er aufhörte mir Vorwürfe zu machen. Ich fraß alles in mich hinein, bis ich an dem Punkt war, dass ich an Selbstmord dachte. Und ihn dann plante. Was mir dazwischen kam, war eine Dozentin an der Uni. Ich glaubte damals nicht ans Schicksal und ich glaube auch heute nicht an eine höhere Macht. Aber damals ließ ich mich aus einer Laune heraus darauf ein. Eine letzte Vorlesung – meinen Lieblingskurs – wollte ich noch besuchen. Und wie das Schicksal es so wollte, stand der Umgang mit suizidalen Schülern auf dem Lehrplan. Das erste Mal in meinem Leben, hatte ich das Gefühl, dass es jemanden gab, der verstand was in mir vorging, obwohl sie gar nicht wissen konnte, dass es so ist. Mein Entschluss geriet ins Wanken und am Ende bin ich auf ihr Angebot eingegangen und habe ihr eine Mail geschrieben, die letzte Chance, die ich dem Leben gab. Und sie hat mir geantwortet. Einen Tag später fuhr sie mich in eine Klinik, wo ich zwei Wochen blieb. Diese Frau rettete mir das Leben und das werde ich ihr nie vergessen.
Wer nun denkt, dass dies der Moment war, dass ich den Fleck in die Wüste schickte, der irrt (leider). Ich beschloss die Uni abzubrechen und mit dem Fleck zurück in seine Heimat zu ziehen. Ich wollte Verbindungen kappen und neu anfangen. Mit dem Leben, mit der Beziehung, mit allem. Das war Ende 2015. Für ein paar Monate hatte ich neue Energie gewonnen. Ich suchte mir einen Job für den Übergang, bis ich mein neues Studium beginnen konnte. Der Fleck verlor indes den seinen. Doch statt sich einen neuen zu suchen, wollte er das Abitur nachholen. Eine gute Idee wie ich fand, doch stellte ich ihm gewissermaßen ein Ultimatum. Er brauchte sich für die Zeit bis zum Schulbeginn keinen neuen Job suchen, dafür müsse er sich aber auch vorbereiten und in der Schule sein Bestes geben. Er versprach es. Ein Dreivierteljahr ging ich also allein arbeiten, um die Wohnung zu bezahlen, ging einkaufen, kochte und machte weiterhin den Haushalt, währenddessen er am PC hockte. Dieses Mal wurde ich nicht depressiv, sondern wütend. Das einzige, was mich davon abhielt nicht zu platzen, war mein naives Vertrauen darin, dass er sich anstrengen würde, wenn die Schule begann. Überraschung. Er strengte sich tatsächlich an, allerdings nur in Mathe und Latein, weil er in den beiden Fächern gut war. In Englisch und Deutsch brachte er 4en und 5en nach Hause. Wieder hatte ich das Gefühl ein Kind, statt eines Freundes in meiner Wohnung zu beherbergen. In dieser Zeit begannen immer mehr meiner Freunde auszusprechen, was sie bereits seit Jahren dachten: wie hälts du das nur aus? Wieso verteidigst du ihn immer noch? Und mir gingen langsam die Antworten aus. Ich habe immer gesagt, eine Beziehung funktioniert so lange, wie die positiven, die negativen Aspekte überwiegen, denn keine Beziehung ist perfekt. In meiner Beziehung zum Fleck gab es keine positiven Aspekte mehr. Februar 2017 sagte ich ihm dies auch zum ersten Mal. Ich erzählte alles was mich belastete, was ich nicht mehr ertragen konnte und wollte und sagte ihm, dass sie diese Dinge ändern müssten, sonst könnte ich nicht mehr mit ihm zusammenbleiben. Für ein paar Wochen wurde es besser. Wir gingen raus und unternahmen etwas, einmal bekam ich sogar Blumen. Aber das verebbte sehr schnell wieder und ich war gefrustet. Das war einfach nicht das Leben und vor allem nicht der Lebenspartner, den ich mir wünschte. Ich dachte fieberhaft darüber nach, warum unsere Beziehung nicht funktionierte und wie das einem als Sub nur allzu leicht passiert, kam mir der Gedanke, dass es an mir liegen könnte. Oder eher an meinen sexuellen Bedürfnissen. Wenn ich nicht auf BDSM stehen würde, dann würde ich mir nicht etwas vom Fleck wünschen, was er einfach nicht ist. Die Lösung, so dachte ich, wäre diesen Teil sozusagen outzusourcen. Wenn ich meine Befriedigung auf anderem Wege bekäme, dann könnten wir doch wieder glücklich werden, oder?