Häufig weiß man etwas erst zu schätzen, wenn man es nicht mehr hat. Ein funktionierendes Knie zum Beispiel. Man glaubt gar nicht wie häufig man auf Knien rumturnt und wofür man sie so alles braucht, ohne es bewusst zu registrieren. Versucht mal vom Sofa aufzustehen, ohne das linke Knie zu beugen. Ist plötzlich voll aufwendig und anstrengend? Fand ich auch. Aber langsam wird es bei mir wieder und ich kann inzwischen wieder einige Dinge ganz normal machen. Hosen anziehen, Dinge aufheben, Treppen rauf- und runtergehen. Und seit einer Woche auch wieder (fast) knien. Also ich kann auf dem Bett oder einem Kissen auf die Knie gehen, mich aber dabei nicht hinsetzen und wenn ich ganz ehrlich bin, trägt das rechte Bein das meiste Gewicht. Aber das sind nur Details. Fakt ist: ich kann irgendwie knien und allen Vieren sein, auf dem Bauch liegen und wenn mein Herr ganz links im Bett liegen (links, wenn man vor dem Bett steht und drauf schaut) und ich mein linkes Bein etwas baumeln lassen kann, ja dann kann ich sogar wieder beim Sex oben sein. Wer jetzt denkt: “Waaaas?! Eine Sub die oben ist?!” dem sei gesagt: ja, es geht doch darum, dass es Spaß macht und das macht nun mal Spaß.
Das solche Dinge wieder gehen, fing vor etwa eineinhalb Wochen an. Letzte Woche Montag, um genau zu sein. Ich hatte einen relativ anstrengen Tag und war ziemlich genervt von der Gesamtsituation und vor allem von meiner Physiotherapeutin. Und ich hatte seit gut einem Monat keinen wirklichen Sex gehabt, was nicht nur Männer grummelig macht. Mein Herr und ich hatten eigentlich beschlossen nun ins Bett zu gehen, was bedeutet, dass ich mich immer schon fertig mache, während er noch rauchen geht und ich dann im Bett auf ihn warte. Diese Wartezeit nutze ich regelmäßig um zu schauen, ob das mit dem Knien wieder geht. Und siehe da, an diesem Abend ging es ein kleines Bisschen. Jedenfalls genug, um erkennbar “Plea” – eine Position in der ich um etwas bitten kann – einzunehmen.

Ich schnappte mir also die Gerte mit dem breiten Lederende, legte sie auf meine Hände und wartete dann in Plea auf meinen Herrn, um ihn zu bitten mich doch noch ein wenig zu hauen. Eigentlich bin ich kein übermäßiger Fan von dieser Gerte, weil sie nur so ein “Hach, du warst ein böses Mädchen”-Spielzeug ist und eigentlich nicht wirklich wehtun kann. Aber ich dachte mir, wir haben jetzt mehrere Wochen lang nicht gespielt und ich habe keine Lust auf einen Abbruch aufgrund von Überforderung, also lieber etwas sanfter, dafür aber schön. Das habe ich auch meinem Herrn zu erklärt und er zeigte sich einverstanden. Da es keine großes Session werden sollte, band er schlichtweg meine Hände auf dem Rücken zusammen und diese dann noch mit einem Gürtel nach oben um meinen Hals, damit ich etwas gewürgt werde, wenn ich zapple. Sowas fixiert recht gut und geht fix. Da solche Konstruktionen jedoch nicht ganz ungefährlich sind, wies er mich an regelmäßig Rückmeldung zu geben, ob alles im grünen Bereich ist, wenn er mich mit der Gerte zwischen den Schulterblättern berührt. Am Anfang ging mein Plan gut auf, denn die Schmerzen waren eigentlich keine Schmerzen, wodurch ich wunderbar schweben und genießen konnte, und schlussendlich wechselte mein Herr recht schnell von Gerte zu Rohrstock. Ich habe wie immer keine Ahnung wie lange das ging, aber ich war richtig glücklich und kurz davor meinen Herr um den Gürtel zu bitten. Der ist nicht unbedingt doller als ein Rohrstock, aber der Schmerz ist etwas dumpfer und großflächiger, was ich total mag. Bevor ich dazu kam, schlug er mich jedoch mit dem breiten Ende einer anderen Peitsch, was echt Aua gemacht hat. Und dann war es vor und ich blickte mit großen Kulleraugen in ein leicht besorgtes Gesicht meines Herrn, der mich auf prompt fragte, ob es denn ginge. Eine merkwürdige Frage wie ich fand, bis er mir offenbarte, dass mein Hintern nicht nur etwas geschwollen war, wie ich vermutet hatte, sondern dass die Haut großflächig aufgeplatzt sei und blutete. Ich schwöre, es hat sich nicht ansatzweise so angefühlt, als ob das irgendwas blutig gehauen wäre, aber das erklärte, wieso mein Herr aufhörte, als es grade so richtig schön werden wollte. Noch vor meinen ersten richtigen BDSM-Erfahrungen habe ich mir natürlich Gedanken darüber gemacht, wie weit ich gehen wollte und meine Grenze zog ich bei dem Moment, wenn es blutet. Ich glaube, die sollte ich mal neu definieren, denn sonst komme ich nie an den Punkt wo ich vor Schmerz schreie und weine. Bisher quicke, fluche und lache ich nämlich noch. Am nächsten Tag entdeckte ich dann auch noch, dass sowohl Rohrstock als auch Peitschengriff blutbefleckt waren, was doch etwas makaber aussah.
Gestern lief es ein wenig anders. Der Tag war ähnlich nervig, meine Physiotherapeutin hat mich wieder eine Stunde lang vollgeblubbert und überhaupt war alles doof. Aber wir hatten irgendwie das ganze Osterwochenende eher vertrödelt, also wollten wir gern noch eine etwas größeres Session haben. Mein Herr verschloss meine Ohren mit Ohropax und setzte mir eine Maske auf, die zusätzlich die Sicht einschränkte und die Atmung erschwerte. Außerdem band er meine Brüste ab und fesselte mich dann auf dem Bauch liegen ans Bett, sodass Arme und Beine abgespreizt haben. Solche Sachen sind für mich immer etwas anstrengend, weil ich immer mit einem Teil meines Gehirns auf mich selbst achte, damit ich rechtzeitig signalisieren kann, wenn irgendwas nicht gut läuft. Jetzt hatte ich gleich mehrere Dinge, auf die ich achten musste – mein Knie, meine Atmung und ob mein Herr irgendwas sagt oder fragt – und war ziemlich doll angespannt und hatte ein wenig Schwierigkeiten mich trotzdem auf die Situation einzulassen und kein Kopfkino zu schieben oder Panik zu bekommen. Zu meiner Überraschung verpasste mir mein Herr noch einen Analplug, schob mir zudem einen Vibrator rein und legt einen Magic Wand an meine Klit. Es hat mich nach kurzer Zeit in den Wahnsinn getrieben und mir kaum noch Raum gegeben über irgendetwas anderes als die Erregung nachzudenken, geschweige denn über die Schläge, die mein Herr über Po, Beine, Rücken und Oberarme verteilte, um mich für die lange, dünne Peitsche vorzubereiten. Es war alles toll, es war geil und ich fing an loszulassen und mich zu entspannen. Und dann zappelte ich etwas. Der Magic Wand verrutschte leicht nach oben und es kam nach einigen Minuten zum wohl lustigsten Abbruch, denn mein Herr und ich in den vergangen zwei Jahren erlebt hatten. Das scheiß Teil stimulierte nicht länger meine Klitoris, sondern nunmehr meine Blase. Es mag ja Leute geben, die darauf stehen oder das ignorieren können, aber ich gehöre nicht dazu und ich bekam zunehmend das Gefühl gleich ins Bett zu pinkeln, was mich komplett rausbrachte und mich vor allem nervte, wodurch die ganze Genervtheit von zuvor wiederkam, mich noch mehr nervte und hach… Es war nur noch doof. Ich bin froh, dass mein Herr a) Verständnis für sowas hat (ihm ist auch sehr dran gelegen, dass niemand ins Bett pinkelt) und mich direkt losband und b) das Ganze mit Humor nehmen konnte. Ich dann auch, nachdem ich auf Klo gewesen war. Wir machten danach ein wenig Pause und starteten einen weiteren Versuch. Häufig klappt das, dieses Mal leider nicht. Wenn ich in so einer angespannten Grundstimmung bin, dann passiert es nicht selten, dass mich jede Kleinigkeit rausbringt und plötzlich ganz furchtbar ist. Bei diesem zweiten Versuch fing irgendwann an der Butplug zu schmerzen und maso hin, maso her, diese Art von Aua kann ich absolut nicht gut ab. Wenn irgendwas wehtut, das nicht wehtun soll, dann ist das mitunter ein halber Weltuntergang. Wir brachen das Unterfangen danach ab. Manchmal will es einfach nicht klappen.
Ihr seht also, selbst bei gleichen Rahmenbedingungen kann so eine Session mal gut und mal blöd laufen. Da hat niemand Einfluss drauf. Ich bin sicherlich kein Maßstab und bei uns endet es zurzeit leider noch häufiger mit einem Abbruch, als mit einem seichten Ausklingenlassen, aber das okay für mich, denn trotzdem komme ich in keinen Schritten vorwärts, komme schneller wieder in die Spur, erkenne Fallstricke besser und irgendwann bekommen wir das alles in den Griff. Vorgestern zum Beispiel, als wir eigentlich den ganzen Tag über ein kleines Rollenspiel spielen wollten, welches wir jedoch noch vor Ende des Frühstücks abbrachen, weil eine sehr unschöne Erinnerung getriggert wurde, habe ich erkannt, was eigentlich immer wieder passiert, wenn wir sowas abbrechen. Die Gefühle aus der Erinnerung verknüpfen sich dann mit der aktuellen Situation und machen aus dem Spiel Ernst. Ich vermute das geschieht auch schnell dadurch dass ich mich sehr in die jeweilige Rolle reinsteigere und das Spiel mit der Angst dadurch grundsätzlich zum Balanceakt wird. Jetzt könnte man sagen, ich sollte solche Spiele dann einfach lassen, aber das will ich nicht. Ich finde solche Spiele – Entführungen, Gefangenschaften etc. – einfach super spannend und statt auf sie zu verzichten, suche ich nach einem Weg wie ich mich im Spiel daran erinnern kann, dass dies ein Spiel ist und nichts mit den echten Gefühlen der Erinnerung zutun hat. Schauspieler nutzen für so eine Trennung manchmal bestimmte Gegenstände, die für eine Rolle stehen und die sie beim Spiel tragen, um danach die Rolle anlegen zu können. Ich will etwas Ähnliches versuchen, nur dass ich mit diesem Gegenstand daran erinnern möchte, dass es grade eine Rolle ist.
So, nun bin ich doch vom Hundertsten ins Tausendste gekommen, ich hoffe ich nehmt mir das nicht übel.