Ich bin der Meinung, dass diejenigen, die dem BDSM anhängen, mit dieser Vorliebe geboren wurden. Diese Meinung habe ich bisher nicht empirisch untermauert, sie beruht einzig und allein auf meiner eigenen Erfahrung und Gesprächen mit den verschiedensten Menschen.
Als ich mich damals, vor inzwischen zweieinhalb Jahren, das erste Mal bei der Fetischseite meines Vertrauens angemeldet habe, wurde ich beim Ausfüllen des Profils mit der Frage konfrontiert: „Seit wann bist du so?“ Da habe ich mich gefragt, ja seit wann bin ich denn so? Wann habe ich eigentlich erkannt, dass ich Lust daran habe, gefesselt und geschlagen zu werden? Denkt selbst mal zurück. Gab es ein Schlüsselerlebnis? Also bei mir nicht. Ich habe bereits bei meinem Playmobil-Pferdehof gespielt, dass ein „böse Mann“ kam, die ganzen Kinder wegsperrte und dann die Reitlehrerin vergewaltigte. Bei Spielen mit Barbie haben sich Barbie und Ken immer gegenseitig oder auch Barbie und Barbie oder Ken und Ken missbraucht. Da war ich bei den Rollen nicht so festgelegt. Hierbei kamen dann auch die ersten Formen der Unterwerfung und sexuellen Sklaverei dazu. Und als ich anfing meinen eigenen Körper und meine Sexualität zu erkunden… Naja, ich hatte einen sehr böööösen Teddybären. Dazu kamen die klassischen Fesselspielchen mit Freunden, noch weit vor der Pubertät, wo wir uns gegenseitig fesselten und versuchten uns zu befreien. In der Nachbetrachtung kann ich also feststellen, dass diese Fantasien, diese Interpretation von Sexualität, einfach da war. Ich habe nie beobachtet, dass mein Vater meine Mutter oder andersherum geschlagen hätte und Papas Pornos, deren Versteck ich irgendwann fand, waren allesamt harmlos und stino. Nach dieser ganzen Reflexion habe ich die Frage übrigens folgendermaßen beantwortet:
“Ich bin seit dem 23.01.2012 so. Nein ehrlich, das war der Tag an dem ich feststellte, dass ich “sexuell recht aufgeschlossen bin”.
Mal im Ernst, was für eine doofe Frage. Als ob ich wüsste woher das kommt oder seit wann das so ist. Hätte ich das entschlüsselt, würde ich wohl ein Buch mit dem Titel “Darum stehen Menschen auf BDSM – Ein Fachbuch mit wissenschaftlichen Belegen zur Lustgewinnung durch Erleiden und/oder Zufügen von Schmerz und dem Bedürfnis sich anderen Menschen zu unterwerfen und/oder sie zu unterwerfen”. Das Buch für Switcher erscheint dann ein Jahr später – man muss die Leute ja bei Laune halten.”
Wir stellen also fest, Blümchensex war noch nie mein Ding. Obwohl meine Anfänge mit meinem ersten Freund durchaus sanft waren. Und es war trotzdem schön. Aber irgendwann wurde es mir langweilig. Rein, raus, Mickey Maus hat mir irgendwann nicht mehr gereicht. Also schlug ich vor, es mal mit Fesseln zu probieren, das machen ja schließlich alle irgendwann einmal, nicht wahr? Und seitdem war „nur“ Sex öde. Ich habe immer wieder versucht meinen Freund dazu zu bringen Neues auszuprobieren, grob mit mir umzugehen, Haareziehen, wenigstens mit der Hand auf den Hintern hauen; solche Dinge eben. Er hat vieles mitgemacht, allerdings nie eigenes Interesse daran entwickelt. Meine eigenen Wünsche wuchsen jedoch immer weiter und weiter. Als ich etwa 20 war, waren meine grundlegenden Vorlieben fertig gebacken. Ich wusste in welche Richtung ich gehen wollte. Ich wollte einem Mann dienen, zu dem ich aufblicken kann. Das Problem daran: mein Freund war nicht so ein Mann und wollte es auch nicht sein. Er wollte diese Verantwortung nicht übernehmen. Und ich kann es ihm nicht verdenken. Dom sein muss mitunter sehr anstrengend sein und wenn man dazu noch kein Eigeninteresse hat, kann man das „seiner Freundin zuliebe“ nicht leisten. Das zweite Problem dabei: Ich habe meinen Freund geliebt, wir wollten sogar heiraten, also habe ich versucht meine Bedürfnisse zu unterdrücken. Aber das geht nicht lange und das geht vor allem nicht gut. Irgendwann, nämlich vor den bereits angesprochenen zweieinhalb Jahren, habe ich mich dann bei fetisch.de angemeldet, zunächst nur, um mich wenigstens über das Thema informieren und austauschen zu können.
In einem Fetisch-Forum als Frau unterwegs zu sein, ist etwas, das dem Ego unwahrscheinlich guttut. Frau bekommt Aufmerksamkeit und Komplimente zu Hauf, was für mich etwas komplett Neues war. Ich war nie diejenige, der die Männer hinterhergeschaut haben und Komplimente bekam ich nicht mal von meinem Freund (außer für meine Brüste, aber das ist nicht sonderlich charmant). Ich habe mich endlich einmal willkommen gefühlt und ich habe viele spannende und spinnende Menschen kennengelernt. Ich habe mir einiges an Wissen angeeignet und gleichzeitig meine eigenen Fantasien weiter kultiviert. Zu diesem Zeitpunkt dachte ich zum Beispiel noch, dass für mich das Dienen im Vordergrund stehen und Schläge halt dazugehören würden, aber dass diese nicht ganz so mein Ding wären. Höhö. Manchmal irrt man sich eben.
Meine ersten Wochen im Forum waren furchtbar aufregend und ein wenig überfordernd. Ich hatte mir vorgenommen alle Zuschriften auch zu beantworten, weil es mir unhöflich vorgekommen wäre, dies nicht zu tun. Dabei bin ich übrigens bis heute geblieben, gleichwohl ich jetzt, da mein Beziehungsstatus “kein Single” lautet, bei weitem nicht mehr so viele Nachrichten erhalte. Damals waren es allerdings eine ganze Menge und ich kannte die Eigenheiten des Online-Datings und die Maschen der Menschen noch nicht. Ich habe copy&paste-Nachrichten noch nicht auf den ersten Blick erkannt und wusste nicht um die Umgangsformen. Ich habe mich beispielsweise ernsthaft gefragt, ob ich als Frau, die ich mich selbst “Sub” nennen möchte, nicht doch jeden Dom siezen müsste, einfach weil er ein Dom ist. Immerhin ist das Internet auch ein Raum der Selbstdarstellung und der Masken. Vielleicht, so dachte ich, muss ich mich solchen Regeln anpassen, um die Menschen hinter den Worten kennenlernen zu dürfen. Heute zeige ich jedem Typen, der meint sowas von mir in der ersten Nachricht zu verlangen, den virtuellen Vogel. Der Kompromiss, den ich mit mir selbst damals eingegangen bin, sah dann vor, dass ich nur diejenigen sieze, die ich irgendwie interessant finde. Das waren in dieser ersten Forum-Phase genau zwei Männer und eigentlich noch ein dritter, der verbat sich jedoch in seinem Profiltext explizit eine “pseudo-devote Anrede”. Spoiler-Alarm: Schlussendlich hatte ich mit allen dreien etwas. Aber alles zu seiner Zeit.