Der Alltag …

…  sieht in einer D/s-Beziehung für gewöhnlich so aus:

Die Sub ist für das Wohl des Herren verantwortlich und ihr werden nicht selten auch Aufgaben den Haushaltes übertragen. Das ist bei meinem Herrn und mir kein Dogma und nicht selten kaufen wir gemeinsam ein, kochen zusammen und jeder putzt seine Wohnung allein. Trotzdem kommt es vor, dass mein Herr mir nach dem Frühstück aufträgt, dass ich die Küche allein aufräumen soll – gern auch mal nackt – oder mich nochmal losschickt, um Milch zu kaufen. Auch bin ich diejenige, die abends wenn wir auf dem Sofa sitzen nochmal aufsteht, um neue Getränke zu holen. Generell fallen Kleinigkeiten dieser Art sozusagen in meine Zuständigkeit. Und das mag ich, denn ich bin gut darin zu erahnen, was mein Herr möchte oder sucht. Ich mag es auch vor ihm zu knien und ihm die Schuhe anzuziehen; nicht weil ich eine Fußfetischistin bin (das bin ich bei Leibe nicht), sondern weil diese Handlung sehr deutlich macht, dass ich meinem Herrn untergeordnet bin. Auch stehe ich danach nicht direkt auf, sondern warte stets auf seine Erlaubnis, ob nun verbalisiert oder gestikuliert. Mein Alltag mit meinem Herrn ist also geprägt von einer ganz bestimmten Art von Aufmerksamkeit, welche das normale Maß übersteigt. Ich nehme unheimlich viel wahr und bin es gewohnt immer äußerst hilfreich sein zu können – Dinge bereits geholt zu haben, bevor meinem Herrn wieder eingefallen ist, dass er dieses oder jenes mitnehmen wollte; zu wissen, wo alle möglichen Sachen liegen; aufspringen zu können, wenn mein Herr etwas haben möchte.
Das alles geht seit zwei Wochen nicht mehr. Ich bin wie ein Vogel, dem die Federn gestutzt wurden. Nein, eigentlich wie ein Vogel, der sich die Federn hat stutzen lassen, damit er irgendwann noch höher fliegen kann.

Abgesehen von den oben beschriebenen Spielereien und Gesten im Alltag, ist knien im Allgemeinen ein wichtiger Aspekt in meinem Sub-Leben. Es kann so viel ausdrücken – Hingabe, eine Bitte, Zuneigung, Reue, Unterwerfung – oder es ist einfach nur praktisch im Spiel. Wenn ich die Wohnung meines Herrn betrete bitte ich kniend um Einlass, wenn ich eine Bitte habe oder mich Entschuldigen möchte, dann knie ich; wenn wir ein Dom-Sub-Gespräch führen, knie ich; wenn ich einfach so meinem Herrn auf “Sub-Art” nah sein möchte, dann schmiege ich mich kniend an ihn. Wenn ich vor meinem Herrn knie, dann fühlt es sich an, als ob ich endlich frei atmen kann und ich selbst bin.
Das alles ging seit ein paar Monaten fast gar nicht mehr. Wie im Bericht des MRT zu lesen war, hatte ich im linken Knie eine “prominente Plica mediopatellaris” – eine fiese Schleimhautfalte, die mir bei fast allen Bewegungen und Nichtbewegungen Schmerzen bescherte. Langes Gehen, Stehen, Sitzen oder Liegen tat weh – ihr könnt euch also vorstellen wie toll Knien war, wenn ich es länger als 5 Minuten tat. Glücklicherweise braucht man so eine Plica nicht und kann sie wie den Blinddarm oder Mandeln entfernen, wenn sie einen nervt. Und das wurde vor genau 14 Tagen gemacht. Zwei kleine Narben links und rechts am Knie werden am Ende davon übrig bleiben und eine Menge lustiger Erinnerungen aus der Zeit kurz danach.

Im Moment sieht unser Alltag nämlich ein klein wenig anders aus:

Der Herr ist für das Wohlergehen der Sub verantwortlich und übernimmt fast alle Aufgaben des Alltags. In der ersten Woche war dies ein verfluchtes Dogma und ich bekam sogar Ärger – zwar mit Augenzwinkern, aber doch ernst gemeint – als ich meinem Herr am ersten postoperativem Samstag morgens Kaffee ans Bett brachte. Normalerweise tue ich das immer. Danach blieb ich brav im Bett und wartete bis der Herr das Frühstück bereitet hatte. Anschließend wartete ich wieder bis er mir meine Kleidung brachte und sich niederkniete um mir die Socken anzuziehen. Während ich ins Wohnzimmer humpelte, fing er schon einmal an die Küche wieder aufzuräumen und als ich dann endlich im Sessel saß, schüttelte er mir die Kissen auf, bettete mein Bein auf einem weiteren, brachte mir die Tabletten, etwas zu Trinken, mein Handy, schloss die Vorhänge und fragte dann, ob ich noch etwas bräuchte. Nicht selten fiel mir etwas ein wie Kühlakkus, eine Decke oder mein Laptop. Die Welt war vollkommen verkehrt und ich musste mich manches Mal sehr zusammenreißen, deswegen kein schlechtes Gewissen zu bekommen, aber auch nicht zu übertreiben und dadurch Gefahr zu laufen zu stürzen. Was bringt es mir “meinen Herrn nicht zu belasten”, wenn das Ergebnis ein Sturz ist, der weitere 2-4 Wochen Unterstützungsbedarf bedeuten könnte? Duschen beispielsweise ist etwas, bei dem möchte Sub einfach keine Hilfe von ihrem Herrn haben. Dabei möchte nach Möglichkeit wohl jeder allein sein. Und grundsätzlich kann ich das auch allein, nur der Ein- und vor allem der Ausstieg aus meiner Duschwanne war und ist zurzeit für mich nicht ganz ungefährlich. Ich musste mich regelrecht erst selbst davon überzeugen meinen Herrn dafür herbeizurufen. Zumal ich dabei sicherlich keine besonders elegante Figur abgeliefert habe. Zum Glück ist unsere Beziehung jedoch inzwischen soweit, dass der Fortbestand nicht mehr an Äußerlichkeiten hängt. Die Beine zu rasieren war nämlich einfach nicht drin in der ersten Woche. Zunächst musste er mir sogar die Haare waschen, weil ich alle Hände damit zu tun hatte, mich selbst zu stützen. Auch das ist nicht unbedingt das, was man sich unter D/s vorstellt. Natürlich kann man mal Waterboarding-Spielchen spielen, aber irgendwie hatte ich mir die anders vorgestellt. Schlussendlich war für den Anfang der Gang auf Toilette das Einzige, was ich komplett allein machen konnte. Inzwischen sieht das zum Glück anders aus und mein Herr muss nicht mehr 24/7 hier sein, für den Fall des Falles. Tatsächlich werden wir heute die erste Nacht wieder getrennt schlafen, weil ich mich endlich mal wieder im Bett ausbreiten können möchte, aber vor allem auch, damit er mal wieder etwas Ruhe bekommt. Meinem Knie geht es nämlich jetzt Tag für Tag besser und seit heute brauche ich zum Laufen auch nur noch eine Krücke als Unterstützung.

Hinter uns liegen nun also zwei Woche des faktischen Rollentauschs, welcher ehrlich gesagt nicht immer leicht für unser eigentliches Rollenverständnis war. Es gab viele Witzelein, bei denen mein Herr einen auf Butler machte und ich entsprechend auf feine Dame. Dabei die Balance zu halten und es nicht zu übertreiben, war nicht nur einfach und wir haben auch ein paar Mal darüber gesprochen respektive mein Herr hat daran erinnert. Ich habe keine Ahnung wie ein D/s-Pärchen solch eine Zeit durchsteht, welches normalerweise mit stärker durchdeklinierten Regeln und einer deutlicheren Aufgabenverteilung oder gar einem Sklavenvertrag arbeitet. Der Umgang zwischen meinem Herrn und mir ist generell eher lockerer Natur, was er jedoch nur sein kann, weil er sich meiner Devotion sicher sein kann und ich meinen Platz nicht vergesse, nur weil auch ich ihn mal foppe. Vielleicht pausieren diese anderen Pärchen ja ihre Beziehungen oder Sub wird dann nicht vom Dom, sondern von Familie und Freunden versorgt? Vielleicht bin ich da jetzt auch selbst zu engstirnig und sie handhaben das genauso wie wir. Was weiß ich. Fakt ist: mit einem frisch operiertem Knie kann keine Sub der Welt knien und ein Dom, der es dennoch verlangen würde oder gar Strafen für Subs Unfähigkeit dazu verteilt, der ist in meinen Augen kein Dom. Mhm, oder formulieren wir es so: der ist für mich nicht der richtige Dom, denn man kann es ja durchaus so handhaben, dass Sub “nacharbeiten” muss. Mir wird sicherlich auch irgendwann noch aufs Brot geschmiert, dass mein Herr in dieser Zeit deutlich häufiger kniete als seine Sub. Zumindest hat er es einmal so formuliert: “Das mache ich gern. Du musst das mal aus meiner Sicht sehen: das wird einen tollen Blowjob geben, einen richtig tollen.” Wer jetzt denkt: “das kann sie doch auch jetzt machen”, dem sei gesagt: ich habe meinen Herr sicherlich nicht gänzlich unbefriedigt gelassen, aber es macht schlichtweg weniger Spaß, wenn die Sub aufgrund der Schmerzen im Knie die ganze Zeit AUA! sagt und nicht weil der Herr ihr welche zufügt.

Der Alltag kann also auch ohne Corona komplett auf den Kopf gestellt werden. 😉

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